Lipizzaner im Roten Ring / die Hohe Schule

Lipizzaner im Roten Ring / die Hohe Schule

Beitragvon RoterRing » Sa 29. Mai 2010, 01:19

Der Lipizzaner ist neben den Andalusiern und den Portugiesen ( Lusitanos ) ein sehr geleehriges Schulpferd im Zirkus. Durch seine Größe und seine erhabene Bewegungen wird er mit der kleinen Manege von 12 - 13 m Innendurchmesser viel besser fertig als ein großes Pferd. Man nimmt meistens nur Hengste in die Arbeit. Sie sind etwas schwieriger zu dressieren als Wallache, aber sie haben kraftvollere Bewegungen, andere Manieren, eine andere Ausstrahlung und viel mehr Temperament, was bei der Ausbildung sehr nützlich ist. Die Ausbildung des Lipizzaners als Schulpferd beginnt hier erst nach dem vierten Lebensjahr. Das Alter spielt dabei keine große Rolle, er darf nur nicht vorher von Menschen verdorben sein. Ältere Tiere sind sachlicher, aufmerksamer und nicht so verspielt und verträumt als junge Tiere. Als erstes zeigt man den Hengsten das Chapiteau (Manegezelt) und die Manege, um Sie mit Ihrer neuen Umgebung vertraut zu machen. Tiere müssen erst Ihre Angst verlieren, damit sie überhaupt aufnahmefähig sind. Dannach beginnt man mit der Arbeit. Der Hengst lernt zunächst das ABC an der Longe. Schritt, Trab, Galopp, Anhalten, Rückwertstreten, Caveletti - Arbeit. Alles an der Longe, um Bewegungen in einem kleinen Kreis schwungvoll zu erhalten.
Wenn er an der Longe in schöner Versammlung geht, dann ist erst der Zeitpunkt gekommen ihn unter den Sattel zu nehmen. Man beginnt erst mit reiten von Volten, Cavalettis, Schenkelweichen usw. ...Hier nimmt man sich Zeit. Man will das Pferd in der Ausbildung nicht überfallen und schnell was reinschustern, um es so rasch wie möglich und teuer verkaufen zu können. Man will hier auf viele Jahre eine gute Partnerschaft, ein gutes Verhältnis zwischen Mensch und Tier schaffen. Bis der Hengst manegereif ist, also in den Vorstellungen arbeitet, vergehen ca. zwei Jahre. Bei der Ausbildung des Lipizzaners muß man sich mit jedem Charakter abstimmen. Jeder ist anders, wie auch jeder Mensch. Der eine ist flexibel, der andere sehr schwerfällig und langsam, einer feinfühlig und nervös. Ein nervöses Pferd darf man nicht anschreien, da geht man langsam heran, ganz langsam. Bei einem anderen, das nicht so gut hört, ein bisschen schwerfälliger ist, kann man schon schroffer sein. Obwohl die Stimme strafen, verunsichern oder das Pferd nervlich vernichten kann.
Es wird hier viel an der Hand gelerht mit Stimme und der Handpeitsche zum touchieren. Die Arbeit zwischen den Pilaren wäre hier auch angebracht. Da die Piraffe immer erst an der Hand gelehrt wird. Passage immer unterm Sattel. Aber durch den ständigen Platzwechsel ist es hier unmöglich Pilaren aufzustellen. Anstelle von Pilaren verwndet man dann zwei Longen und zwei Männer, die das Pferd links und rechts wie zwei Pfeiler halten. Das Pferd hat auch hier mehr Bewegungsfreiheit als bei den starren Pfählen. Mit der Peitsche wird nur touchiert, man darf in keinem Fall schlagen: denn ein Schlag mit der Peitsche kann die ganze Arbeit vernichten und man muss wieder von vorne anfangen. Wenn also bei der Übung irgendwas nicht klappt, dann sollte man lieber aufhören und es am nächsten Tag wieder versuchen. Man muss auch immer die Ruhe behalten, man darf sich nicht dazu zwingen, die Ruhe zu behalten, denn dabei strahlt man was ganz falsches auf das Tier aus. Ein Tier motiviert man immer mit einer Belohnung. Aber es muss auch wissen, wo die Grenzen sind, man muss Disziplin fordern. Wenn man mit einem Hengst in der Manege arbeitet, muß man ihm mit den Gedanken immer einen Schritt voraus sein, damit man ihn unter Kontrolle hat. Hier arbeitet man im Schultrab und im Schulgalopp. Die Tritte und Srünge sind etwas kürzer als im versammelten Tempo und in der Aktion höher. Mit der Gerte wird nur touchiert und nicht geschlagen, wie viele vermuten. Gute Schulreiter haben nie geschlagen. Je weniger ein Reiter kann, desto mehr muss er durch Härte ausgleichen. Wenn ein Reiter oder ein Dresseur schlägt, das ist das Schlimmste. Das tut er aus eigenem Unvermögen, aus Frustration heraus. Die größte Schande eines Bereiters oder Dresseurs ist die Würde des Pferdes ( besonders beim Lipizzaner ) zu verletzten. Ein Tier kann sich nicht wehren und wenn man ihm seine Würde in der Manege nimmt, den Clown aus ihm macht, wie es öfters bei Affen oder Bärennummern passiert, das ist das Gemeinste. So ein Reiter oder Dresseur hat überhaupt keine Berechtigung seine Tiere vorzuführen. Man muss seine Aufgabe als Schulreiter im Wesentlichen darin sehen, das Pferd in der Schönheit seiner Bewegungen dem Publikum zu zeigen und es als Partner sehen, mit dem man zusammen eine Nummer aufbaut. Aber trotzdem muss man der Chef sein. Der Lipizzaner will geachtet werden, der Bereiter soll Achtung vor ihm haben, das sollte da A und O eines Reiters sein. Denn sie fühlen instinktiv, dass man gerecht zu ihnen ist und das man Achtung vor ihnen hat. Beim Lipizzaner wird hier auch kein Reiterwechsel vorgenommen. Er stellt sich ganz auf eine Person ein, nur so kann man Höchstleistungen erziehlen. Jeder Reiter wirkt etwas anders auf sein Pferd ein, auch wenn man sich noch so gut abspricht. Der Lipizzaner, auch der Andalusier, sind in der Intelligenz anderen Pferden etwas vorraus. Der Lipizzaner ist sehr geleehrig, nimmt schnell auf, kann aber auch Unarten schneller lernen. Trotzdem muss man in der Ausbildung langsam vorwärts gehen, Schritt für Schritt,ganz gemach.
Wenn man bei einem Tier von Intelligenz spricht, hat jede Tierart nur soviel Intelligenz von der Natur mitbekommen, wie es zum Überleben braucht. Weil Pferde aber Fluchttiere sind, geht bei ihnen die Dressur schwerer als bei Raubtieren, z.B. Löwen, Tigern oder Bären. Diese sind zwar sehr gefährlich, besonders in der Brunstzeit. Daher beginnt man mit solchen Tieren vor der Geschlechtsreife mit der Dressur. Wenn ein Pferd Angst bekommt, so wird es zunächst versuchen wegzurennen oder zur Seite zu Springen, also Flucht. Gewöhnlich nimmt man an, dass die Rennpferde am schnellsten sind, welche den meisten Ehrgeiz haben. Dies ist aber falsch. Die schnellsten Pferde haben den meisten Fluchtrieb. Wenn der Hengst in der Manege bei irgendeiner Übung Angst bekommt und flüchten will, so muss man ihn ablenken. Dies kann man durch reiten von Volten, Cavaletti usw., um später wieder ganz unbemerkt mit der Übung zu beginnen. Klappt es dann wieder nicht, so muss man aufhören und wieder ablenken, sei es durch Zuckerwürfel oder ruhiges Einsprechen. Sonst würde man das Gegenteil erreichen, das gewonnene Vertrauen stören und er würde seine Lexion aus Abwehr heraus machen. Beim Belohnen muss einen das Pferd anschauen. Nimmt es die Belohnung hastig und wendet sich ab, oder nimmt sie gar nicht, so muss man den Fehler, den man gemacht hat, suchen und für diesen Tag mit der Arbeit aufhören. Denn Pferde, welche ihre Lektion mit Gewalt erlernt haben, werden sie auch immer mit und unter Gewalt ausführen. Die "Hohe Schule" im Zirkus kann sehr abwechslungsreich gestaltet werden, z.B. die klassische Hohe Schule und die sogenannte Trickschule. In der Klassischen muss das Schulpferd travasieren, piaffieren und fliegende Galoppwechsel beherrschen. In der Trickschule sind es dieselben Lektionen, nur kommen noch einige Tricks hinzu, wie Marsch ( Spanischer Schritt ), gestreckte Passage ( Spanischer Trab ) steigen und Plie.

Für beide Schulen ist der Lipizzaner und der Andalusier sehr gut geeignet. Man spricht oft diesen Pferderassen und der Arbeit ( Hohe Schule ) im Zirkus nach, ihre Lektionen wären nicht sauber, nicht korrekt. Sie sind genauso korrekt wie beim Sportpferd. Sie sehen bei diesen Rassen nur leichter, tänzerischer aus. Auch ist die Ausbildung beim Zirkuspferd abwechslungsreicher und intensiver. Denn ein Schulpferd im Zirkus muss immer gut gehen. Beim Zirkus ist immer zu bedenken, dass das Pferd nie gerade geichtet werden kann und immer auf die Rundung der Manege eingerichtet werden muss. Dies erschwert die Arbeit wesentlich. Wer dieses unter Beweis stellen will, der kann es selbst einmal versuchen, indem man auf einem Zirkel in der Reitbahn 20 Meter Durchmesser ganz einfache Lektionen wie Schenkelweichen oder Schulterherein reitet. So wird man feststellen, wie schwieriger es wirdals auf den geraden Linien. Auch die Ausbildung eines Zirkusreiters erstreckt sich auf viele Jahre und erfordert ein besonders intensives Training, Fachkenntnisse und sehr viel Tierliebe. Sehr viele Übungsstunden sind erforderlich bis zum großen Auftritt. Der Reiter muß im direkten Kontakt zum Tier stehen. Er muß sein Pferd zusammen halten, es formen, es darf nicht im Hohlkreuz gehen, es muß über das Genick treten, damit es seine Gänge im Takt frei entfalten kann und dies alles auf engstem Raum. Er veranlaßt sein Pferd zu den gewünschten Bewegungen und Schritten durch Schenkel, Zügelhilfe, Gewichtsverlagerungen und der Stimme. Die Hilfen des Reiters dürfen in der Hohen Schule kaum erkennbar sein. Je sparsamer sie angewandt werden, um so höher schätzt man die Leistung des Schulreiters. Keinesfalls richtet sich das Schulpferd nach der Musik. Es ist die Aufgabe des Kapellmeisters, für die verschiedenen Gangarten des Pferdes der Kapelle das richtige Tempo anzugeben. In den Jahren, in denen ich als Bereiter und Schulreiter im Zirkus tätig war, hatte ich von den Lipizzanern und Andalusiern sehr viel gelernt und ich war meinen Tieren für den Erfolg dankbar. Es gibt wenige Stellen wo die Hohe Schule noch gelehrt und geritten wird, z.B. Anja Beran Gut Rosenhof (Bindingen Allgäu), Cavalleriaclassica Kathrin und Klaus Möhle (Nördlingen), Spanische Hofreitschule (Wien), Militärreitschule Saumur (Frankreich) Dressurst, Richard Hinrichs (Hannover) Gestüt Lipica (Jugoslawien), Circus Krone (München), Circus Knie Schweiz.... Das oberste Gebot des Tierlehrers ist, dass Verhältnis zwischen Mensch und Tier zu präsentieren. Die eigentliche Dressur beginnt schon mit der Auswahl der Tiere. Der Tierlehrer muß das Tier genau studieren und über seine Anatomie und charakterliche Veranlagungen bestens Bescheid wissen. Nach Ankauf der Tiere baut der Dresseur systematisch seinen Lehrplan auf. Zuerst muß sich das Pferd an seine neue Umgebung gewöhnen, dann auf seinen Namen reagieren. Später führt man es in die Manege. Ein Tierpfleger hält es am Kopfzügel, der an der rechten Seite der Trense befestigt ist und führt es so rund um die Manege. In der Mitte steht der Dresseur. Er hält in der rechten Hand die lange Peitsche (Fachsprache
= Cambriere ), in der anderen die Longe, die an der linken Seite der Trense befestigt ist. Nach mehrmaligem Umkreisen der Manege läßt er halten, ruft dann das Pferd bei seinem Namen zu sich in die Mitte der Manege und zieht die Longe immer weiter zu sich heran. Hat es geklappt bekommt das Pferd ein Stückchen Zucker. Das Ganze wird solange wiederholt, bis es auch ohne Longe klappt. Nach diesem Anfangsstadium wird die Dressur immer anspruchsvoller. Der Tierlehrer muss dabei die unterschiedliche Intelligenz und das Temperament seiner Pferde berücksichtigen. Jeder seiner Schüler Jeder seiner Schüler will individuell behandelt werden. Die lange Peitsche dient dem Dresseur nicht etwa als Züchtigungsmittel, sie ist sozusagen sein verlängerter Arm. Damit erweckt er die Aufmerksamkeit des Pferdes, gibt das Tempo an und weist die Figuren ein. Die nächste höhere Unterrichtsstufe folgt mit dem Erlernen von Appell, Abchangieren, Knien, Plié, Eindrehen und Pirouetten. Bei der Gruppendresseur, der heute am meisten in Zikussen gezeigten Arbeit mit Pferden, benötigt der Tierlehrer mehrere Helfer, Tierpfleger oder Bereiter. Sie sitzen auf den dressierenden Pferden und reiten so ein, wie es der Dresseur von der Mitte der Manege aus anweist. Auch hier sind viele solcher Übungsstunden erforderlich, bis die Nummer steht ( manegereif ist ). Angeführt wird eine solche Gruppe immer von einem Tetenpferd, dem ersten, welchem die vom Dresseur eingestuften in der Rangordnung bestimmten Pferde dann folgten. Nach vielen, vielen Proben können die Bereiter von den Pferden absteigen, und die Pferde laufen nur noch nach der Peitschenführung. Natürlich werden die Proben laufend fortgesetzt, auch während der Reisesaison. Da arbeiten wir mit unseren Schulpferden von morgens 07:00 Uhr bis 08:00 Uhr. Dannach die Freiheitsnummern. Nach einem genau festgesetzten Stundenplan, der von der Zirkusdirektion herausgegeben wird, Elefanten, Raubtiere, Westernreiten usw. Dabei verfahren unsere Dresseure heute nach den modernsten Erkenntnissen der Tierlehrer und Verhaltensforscher. Das Aneinandervorbeireiten von zwei Freiheitsgruppen, die sich gegeneinander in der Manege bewegen, ist eine ständige Herausforderung des Fluchttriebs und nur durch einen sehr guten Tierlehrer möglich, da dies für beide Gruppen gegen die Fluchtrichtung ist. Es ist auch gegen den Herdentrieb. Die Stimme spielt hier auch eine sehr große Rolle. Sie kann auffordernd, tadelnd, mahnend, befehlend oder lobend sein. Kurze, harte Worte sind Befehle. Auch die Peitsche dient dazu, die Pferde aufmerksam zu machen. Das Knallen mit der Peitsche soll also nicht den Effekt steigern. Die Pferde dürfen sich davor nicht fürchten, sie müssen Vertrauen zur Peitsche und zum Peitschenknall haben. Ist dies nicht der Fall, so ist etwas nicht mehr in Ordnung. Je unmerklicher die Hilfen des Dresseurs sind, umso effktvoller ist die Dressurnummer. Die "Hohe Schule" ebenso wie die Freiheitsvorführungen sind aus dem heutigen, modernen Zikus kaum noch wegzudenken und seine Schulreiter und Dresseure werden das Publikum immer wieder durch hohe Leistungen überraschen. Dies soll kein Lehrvortrag sein, es soll nur die Arbeit im Zirkus mit den Tieren so zeigen, wie sie wirklich ist.
Würde dabei gerne Kontakt zu einer Showtruppe suchen, oder gerne eine neue Gruppe zusammenstellen( Heinrich Reindel Tel.: 09142/1726 oder mobil 0151/54246582 )
RoterRing
 
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